Was bieten Sie denn an der Landrat-Gruber-Schule in Dieburg an? Wir bilden nicht nur die Landwirte aus, sondern alle grünen Berufe. In einem extra Gebäude werden Landschaftsgärtner, Floristen, Produktionsgartenbauer und eben auch die Landwirte zusammen ausgebildet. Im Bereich des Ausbildungsberufs der Landwirte haben wir drei Lehrjahre, in denen die Lehrlinge die Betriebe jährlich wechseln müssen. Das hat man nicht bei allen anderen Lehrberufen nicht. Die Auszubildenden bleiben für gewöhnlich drei Jahre im selben Betrieb. Bei den Landwirten geht es insbesondere darum, dass sie möglichst viele Einblicke bekommen. Nicht alle Landwirte haben zum Beispiel Milchwirtschaft, also Kühe, andere haben wiederum nur Ackerbau oder Biolandwirtschaft.
Gehören Erfahrungen auf Höfen mit Bio-Landwirtschaft verpflichtend dazu? Nein, bis jetzt ist das nicht verpflichtend. Aber wir sind dran, die Bio-Landwirtschaft in den Lehrplan zu integrieren. Natürlich beziehen unsere Lehrkräfte die Bio-Landwirtschaft in ihren Unterricht mit ein, aber es ist kein separates Lernfeld.
Sollte die Bio-Landwirtschaft in den Lehrplan? Ich finde es auf jeden Fall wichtig. Wir haben ja nichts außer unserer Gesundheit und unserer Ernährung, das hängt ja damit zusammen. Wenn wir nachhaltig arbeiten wollen, dann muss man sich einfach damit beschäftigen. Die Bio-Landwirtschaft hat ja auch Auswirkungen auf die Produktion, also nicht nur die Nahrung selbst, die dann für den Menschen gut ist. Sondern auch wie man mit dem Land umgeht, zum Beispiel was die Düngung angeht. Das hat große Auswirkungen auf unser ganzes System. Von daher ist das eine ganz wichtige Sache.
Gibt es eine Nachfrage unter den Lehrlingen nach „bio“? Die Landwirte sind da sehr gespalten. Die sehen „bio“ teils als Belastung an. Sie wollen natürlich so viel wie möglich produzieren, weil der Ertrag ihr Lebensunterhalt ist. Einmal jährlich gibt es einen Spezial-Lernblock-Gemüsebau, da kommen Lehrlinge von allen anderen hessischen Berufsschulen zu uns. Unter denjenigen, die Gemüsebauer lernen, ist der Bio-Gedanke viel stärker ausgeprägt als bei den Landwirten.
Glauben Sie, dass es bald in der Ausbildung mehr Lehrlinge aus Bio-Höfen geben wird? Das denke ich auf jeden Fall. Was es ja auch immer mehr gibt, ist die Selbstvermarktung auf den Höfen, gerade hier in der Odenwald-Region lässt sich das gut beobachten. In dem Hinblick ist das Thema Bio und Gesundheit damit verknüpft. Es wird sich verändern. Und es muss sich auch verändern. Denn durchschnittlich haben wir so 25 Schüler pro Klasse aktuell. Wenn da zwei oder drei im Bio-Bereich sind, dann ist das schon viel.
Inwieweit spielt Artenschwund und Klimabewusstsein eine Rolle in Ihrem Unterricht? Diese Dinge werden bei uns bereits angesprochen. Wir arbeiten ja lernfeld-übergreifend und mit Lernsituationen, die auf die Praxis bezogen sind. Da spielen diese Verknüpfungen auch eine Rolle. Wir lehren nicht einzelne Themen, sondern binden die Themenkomplexe in reale Situationen der Landwirtschaft ein.
Setzten Sie in der Lehre auch ganzheitliche Themenschwerpunkte, etwa Wasser? Wir richten uns immer nach dem Lehrplan, der gibt auch vor, wie viel Zeit ein Thema in Anspruch nehmen sollte. Natürlich gehen wir auf Themen wie Wasser ein, nehmen Wasserproben oder auch mal eine Bodenprobe. Das sind schon alles Sachen, die wir auch umsetzen. Aber es ist nie so ausführlich wie andere Themen, die wichtig für die Landwirte sind wie zum Beispiel Viehhaltung.
Wie genau sieht der Unterricht aus? Alle Themen, die wir unterrichten, binden wir in Lernsituationen ein, die im landwirtschaftlichen Alltag passieren können. Wir unterrichten nach dem Lernzyklus, der sich folgendermaßen aufbaut: „plan, do, act, check“. Wir planen zusammen mit den Schülern: Es gibt eine Arbeitsphase, dann kontrollieren die Schüler ihre Arbeit. Später sollen die Schüler reflektieren, was sie beim nächsten Mal besser machen können. Und das immer in Situationen, die auch praktisch umgesetzt werden können.
Holen Sie auch Referentinnen und Referenten von außen dazu? Ja, das haben wir schon gemacht. Zwar gehört das nicht fest zum Lernplan, aber immer wieder haben wir Referenten da.
Wird an einer landwirtschaftlichen Fachschule viel draußen unterrichtet? Wir haben Flächen draußen, wo wir Versuche machen, zum Beispiel zum Mais-Anbau. Aber in der Schule geht es eigentlich darum, den Schülern den theoretischen Background zu geben, für das, was sie im Betrieb machen. Die Ausbildungen erfolgen nach einem dualen Prinzip: Der Betrieb sorgt für die praktische Kenntnis, und die Schule für die theoretischen Hintergründe. Natürlich binden wir auch praktische Dinge mit ein oder machen Exkursionen, aber der Schwerpunkt liegt auf der Theorie.
Wie war es nun in der Pandemie, haben Sie nur online unterrichtet? Bisher haben wir die Abschlussklassen in Präsenz gelehrt und die anderen Klassen sporadisch in Präsenz. Nach den Sommerferien sind alle Schüler wieder in den Präsenzunterricht gekommen. Der Onlineunterricht wurde über Teams in Online-Konferenzen abgehalten. Aber das ist schwierig.
Wie ist Ihr persönlicher Bezug zur Landwirtschaft? Ich habe zwei Handwerksberufe gelernt, einmal den Schreiner und den Landschaftsgärtner. Später habe ich an der Fachhochschule studiert und mein Diplom gemacht, danach nochmal Landschaftsarchitektur an einer Universität studiert und dort auch promoviert. Danach habe ich einige Jahre als Landschaftsarchitektin gearbeitet und ein Referendariat mit pädagogischer Ausbildung zur Lehrkraft absolviert.
Kaufen Sie selbst auch gerne auf Hofläden oder Märkten ein? Ja, das mache ich immer so. Ich wohne in Reichelsheim. Und hier gibt es viele Angebote. Ich achte sehr darauf, dass ich möglichst nur Produkte aus der Region kaufe. Und immer mehrHöfe bieten ihre eigenen Produkte ja auch direkt an.
Macht Ihnen das Hoffnung, als Perspektive für eine andere Landwirtschaft? Das ist schwer zu sagen. Ich denke, die biologische Landwirtschaft wird weiter zunehmen. Aber bis es die konventionelle Landwirtschaft kippt, wird es noch dauern. Das ist ein langer Prozess, wobei auch noch andere Parameter mitspielen. Vor allem die Bezahlung der Bauern ist da wichtig. So lange der Liter Milch so billig verkauft wird, können nicht einfach alle Bauern so schnell umstellen.
Was würden Sie sich da von der Politik wünschen? Einmal die eben angesprochene Preisregelung. Damit hängt auch der Zeitaufwand der Landwirte zusammen. Der Beruf des Landwirtes ist kein stark frequentierter, wer will heute noch Landwirt werden? Die Politik sollte dafür sorgen, dass dieser Beruf attraktiver wird!
Warum unattraktiv? Der Beruf scheint so unattraktiv, weil man eben von Montag bis Sonntag arbeiten muss, Tiere müssen versorgt und gefüttert werden - auch an Feiertagen. Das muss sich auch in der gesellschaftlichen Wertschätzung widerspiegeln, die ja heutzutage nicht gerade sehr ausgeprägt ist. Aber natürlich auch in der finanziellen Wertschätzung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Dann kommt man vielleicht in die Richtung, dass junge Leute den Beruf wieder attraktiv finden.
Sind denn Ihre Zahlen an Lehrlingen gleichbleibend, steigend oder sinkend? Bei den Landwirten ist es gleichbleibend. Aber in der Floristik sinken die Zahlen stark, kein Mensch will mehr Florist werden. Da haben wir im ersten Lehrjahr nur drei Auszubildende, obwohl der Beruf Floristin/Florist ein sehr kreativer Beruf mit vielen Entwicklungsmöglichkeiten ist.
Auch wegen der Bezahlung? Ja, genau. Das ist ein grundsätzliches Problem, das meiner Ansicht nach darauf beruht, dass die meisten einen Druck verspüren, unbedingt ein Abitur machen zu müssen und zu studieren. Es ist ein großes Problem in unserer Gesellschaft, dass ein Lehrberuf oftmals als minderwertig angesehen wird. Das finde ich sehr schade. Wir müssen schauen, dass die Wertschätzung gegenüber dem Handwerk besser wird. Ein Handwerker ist genauso viel wert und genauso wichtig, wie jemand, der studiert hat. Er hat einfach ein anderes Metier.