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„Schlachten am Hof zum Wohl des Tieres“

Die Ökomodell-Region Süd hat zum ersten Mal einen eintägigen Geflügelschlachtkurs für interessierte Landwirt*innen in Südhessen angeboten. Neun Teilnehmende konnten am Dienstag (12. Juli) erfolgreich ihre Sachkundeprüfung ablegen. Das Land Hessen hat die Schulungsmaßnahme, die direkt dem Tierwohl dient und regionale Wertschöpfungsketten fördert, anerkannt und aus dem Ökoaktionsplan voll bezuschusst. Die Nachfrage war so groß, dass ein zweiter Kurs im Februar 2023 bereits jetzt ausgebucht ist.  

Reichelsheim/Mossautal, 12.07.2022. Mobile Geflügelställe sind nicht nur im ökologischen Landbau inzwischen weit verbreitet. Doch für viele Betriebe ist es oft nicht einfach, geeignete Geflügelschlachtereien für kleinere Partien in der Region zu finden. Schwierig wird es, wenn das Ganze noch unter bio-zertifizierten Bedingungen ablaufen soll.

Schlachtstätten sind rar

In Südhessen, genauer in Mossautal, hat Landwirtschaftsmeister Alexander Kern jetzt mit der Anschaffung eines Geflügelschlachtmobils einen ersten Schritt getan, um diesem Mangel in der Region entgegen zu wirken. Sein Mobil soll in Zukunft auch von seinen Berufskollegen genutzt werden können. Die Schlachtung selbst in die Hand zu nehmen, um die Lebendtiertransporte zu reduzieren und Verantwortung bis zum Ende zu übernehmen, dieser Wunsch ist bei vielen Landwirt*innen groß. Den meisten geflügelhaltenden Landwirt*innen fehlte es bislang jedoch noch an der notwendigen Sachkunde, um die eigenen Tiere selbst zu schlachten zu dürfen.

Schulung in Theorie und Praxis

Hier hat die Ökomodell-Region Süd jetzt erstmals ein Angebot gemacht, um diese Lücke zu schließen. Sie hat mit dem bsi Schwarzenbek ein Beratungs- und Schulungsinstitut für Tierschutz bei Transport und Schlachtung mi Sitz in Schleswig-Holstein als Partner für die Schulungsveranstaltung gefunden. Tierarzt Dr. Winfried Dyrba und seine Kollegin Dr. Julia Maas haben bis zum frühen Nachmittag rund um die Fragen des Tierschutzes bei landwirtschaftlichem Nutzgeflügel und deren Schlachtung referiert. Am Ende stand die theoretische Prüfung, die unter Vorsitz des Odenwälder Veterinärs Arnd zur Megede stattfand. Bereits hier war die große Motivation der Teilnehmenden deutlich: Gut vorbereitet haben alle bestanden und mit der Theorie war man eine Stunde früher durch als geplant.

Fokus auf mobiler Schlachteinheit

Am Nachmittag ging es dann ins Mossautal auf den Hof am Mühlgrund von Biolandwirt Alexander Kern. Dort wurde die Praxisprüfung in dessen mobiler Geflügelschlachteinheit durchgeführt. Alle Kursteilnehmer mussten jeweils drei Hühner mit den am Vormittag gelehrten Methoden selbst betäuben und schlachten. Auch der sachgerechte Umgang mit großen Geflügel war dem Prüfer wichtig: Vier Puten wurden dazu vom Langklingerhof in Mörlenbach bereitgestellt, um das anspruchsvollere Schlachten und die Verletzungsgefahr bei falschem Umgang zu demonstrieren.

Sachkundeprüfung hat Tierwohl im Fokus

Die neun erfolgreichen Teilnehmer*innen, die aus vier verschiedenen Landkreisen kamen, dürfen mit dieser Bescheinigung nun die Ausstellung des Sachkundenachweises in der jeweils zuständigen Behörde ihres eigenen Kreises beantragen. Landwirt*innen, die mit dem Sachkundenachweis ausgestattet sind, dürfen auch von anderen Kolleg*innen mit der Schlachtung von Geflügel beauftragt werden. Wichtig ist hierbei, dass eine EU-zugelassene Schlachtstätte vorhanden ist. Laut Tierschutz-Schlachtverordnung beinhaltet der Sachkundenachweis die Handhabung, das Ruhigstellen, Betäuben und Töten der Tiere. Insbesondere die Betäubung ist ein wichtiger Punkt in der Verordnung.

Ökomodell-Region will Erkenntnisse vermitteln

Die Ökomodell-Region Süd möchte künftig hier ansetzen. Sylvia Barrero-Stadler, die im Odenwaldkreis für das Projekt „Ökomodell-Region“ angestellt ist, sieht neben vielen Vorteilen für die tierhaltenden Landwirtschaftsbetriebe auch eine große Akzeptanz bei den Verbraucher*innen: „Schlachtung ist generell zwar ein Thema, das der Öffentlichkeit nur schwer zugänglich gemacht werden kann. Was aber inzwischen auch bei Verbraucher*innen ankommt, ist der Aspekt Tierwohl: Der schonende Umgang mit den Tieren bis zum Ende ihres Lebens“. Die Ökomodell-Region will helfen, den Praktiker*innen Erkenntnisse zu vermitteln, um die Tierschutzpraxis bei der Fleischproduktion an die gesellschaftlichen Anforderungen eines ethisch, ökologisch und ökonomisch vertretbaren Wirtschaftens anzupassen. Ob ein teilnehmender Betrieb nach biologischen Kriterien arbeitet oder einen konventionellen Hof betreibt, spielt dabei aus Sicht der Ökomodell-Region keine Rolle. „Beim Thema Tierwohl sind alle Betriebe gefragt“, sagt Sylvia Barrero-Stadler und verweist auch auf den Effekt aufs Produkt: „Mehr Tierschutz bedeutet höhere Fleischqualität.“ (ÖMR SÜD)