Herr Hofferberth, was macht Ihren Einsatz für die Streuobstwiesen aus? Ich engagiere mich im BUND Höchst-Breuberg, im nördlichen Odenwald. Mein Interesse gilt der Streuobstwiesenarbeit, schon lange. Aktiv bin ich etwa in Hetschbach oder Rimhorn, das ein echtes Eldorado für diesen so typischen Lebensraum in unserer Region ist. Wir haben verschiedene Projekte rund um das Thema, etwa die „Schuläpfel“ in Sandbach. Denn die Pflege von Streuobstwiesen hat ja nur dann Sinn, wenn die Äpfel auch gegessen oder als Saft getrunken werden. Daher beliefern wir die Grundschule in Sandbach seit 2010 kostenlos mit Äpfeln von unserer Wiese in Höchst-Hetschbach. Auch die Kindergärten der Kommune werden versorgt. Mit ihnen unternehmen wir auch Pflückaktionen. Dann organisieren wir die mobile Kelterei, die im Herbst vom Frankfurter Lohrberg kommt: Besucher können dann aus eigenen mitgebrachten Äpfeln Saft keltern lassen - und auf Wunsch auch pasteurisieren. Anmeldetermine gibt es immer ab Juli.
Wie steht es um die heimischen Streuobstwiesen? Sie sind stark bedroht. Wir verlieren ein altes südhessisches Kulturgut, das im EU-Rahmen sogar zum immateriellen Kulturerbe gehört. Und wir riskieren, dass viele Tierarten verschwinden, die auf den Streuobstwiesen heimisch sind – Kauze etwa in den Baumhöhlen, Spechte, der Neuntöter. Aber auch Schmetterlinge und Insekten. Wir müssen diesen Lebensraum schützen und erhalten, gerade hier in Südhessen haben wir dafür eine große Verantwortung. Es geht um Kulturlandschaft, die zu einem wertvollen Lebensraum geworden ist. In Zeiten von Artensterben und Klimakrise müssen wir hier ganz besonders das Augenmerk darauf legen.
Warum sind die Wiesen so bedroht? Da muss man etwas zurückreisen. Nehmen wireinmal Rimhorn, um am Beispiel die Probleme zu zeigen: Die Bauern nutzten hier im frühen 19. Jahrhundert Hanglagen, die für den Ackerbau ungünstig waren, als Viehweiden. Und pflanzten darauf hochstämmig Obstbäume. Das ging lange gut, bis in die 1960er Jahre ging von den Rimhorner Obstbauern viel Tafelobst ins ganze Rhein-Main-Gebiet. Dann aber beriet der Obstbauverantwortliche des Landkreises die Bauern dahingehend, dass sie besser auf Plantagenobst umstellen sollten, um wirtschaftlicher zu sein - und das geschah auch an anderen Orten. Leider wurden so viele Streuobstbäume gefällt, auch mit EU-Subventionen. Dann kam hinzu, dass Arbeitsplätze in der Industrie besser bezahlt wurden als in der Landwirtschaft, sodass wir einen echten Notstand hatten bei Ernte und Pflege. Viele Apfelbäume vergreisten, fielen um.
Und was sind aktuell die Schwierigkeiten? Einerseits sind viele frühere Besitzer zu alt oder schon gestorben, sodass die Wiesen nicht mehr gepflegt werden. Alle paar Jahre muss man schon einmal die Schösslinge schneiden. Zum anderen gibt es auch weniger Keltereien als früher. Und als Tafelobst kaufen Kunden heute andere Äpfel, die Lieferkette, die Produktion, da hat sich alles weg von den Streuobstwiesen entwickelt. Ein anderes Problem sind die Misteln, die sich mit dem Klimawandel und der Erwärmung seit rund zehn Jahren stark ausbreiten. Sie gehen nun sogar auf die jüngeren Bäume über und entziehen ihnen die Lebenskräfte. Im Saarland etwa gibt es öffentlich geförderte Programme (EU-LEADER), mit denen die Bäume gepflegt und die Misteln entfernt werden. Das brauchen wir hier auch, das Land muss sich dafür einsetzen. Wir versuchen es selbst mit dem Projekt „Misteln entfernen in Rimhorn“. Da haben wir Hilfe von unseren Paten. Als weiteren Lichtblick sehen wir die Gründung eines Landschaftspflegeverbands durch den Odenwaldkreis. Die Landesregierung hat hierzu die notwendige Anschubfinanzierung bereitgestellt.
Wer sind die Paten, die helfen? Es sind die „Baumpaten Rimhorn“. Zusammen mit dem Apfelbaumhof vermitteln wir alte Apfelbäume an jüngere Leute, die sich um die Pflege kümmern. Seit 2005 sind wir da dran. Es geht um die Pflege der Bäume, so können wir ein wenig helfen. Es sind Familien dabei, die sich mit den Kindern um die Bäume kümmern. Es gibt einen Schnittkurs, und dann geht es los.
Entstehen auch neue Wiesen? Streuobstwiesen sind ja auch öfter Ausgleichsmaßnahmen bei Bauprojekten, werden also als ökologischer Ersatz gepflanzt, wenn ein Stück Natur zerstört wird. So kommen neue Wiesen dazu. Aber es sind weniger Zugewinne, als dass wir diese Ökosysteme verlieren. Die Wiesen müssen ja auch freigehalten werden, sonst verbuschen sie. Das macht Arbeit, ist aber auch Teil der Pflege. Die junge Generation zieht es nicht mehr so oft in diese alten Traditionen, die arbeitsreich sind. Das sieht man auch daran, dass viele Obst- und Gartenbau-Vereine stark überaltert sind. Sie waren immer wichtig für den Erhalt der Streuobstwiesen.
Interview: Torsten Schäfer