Der Lindenhof - Solidarität hinter dem Hügel

Der Lindenhof - Solidarität hinter dem Hügel

 

Der Lindenhof im Landkreis Darmstadt-Dieburg lebt Nachhaltigkeit auf mehreren Ebenen. Dabei versucht man vor allem, auf natürliche Prozesse zu setzen. Neben der ökologischen Seite komme es aber auch auf die sozialen und ökonomischen Aspekte an, sagt Eigentümer Wolfgang Kress.

Von Peter Steinert

Hinter dem Hügel bei Ober-Ramstadt in Richtung Reinheim, mit dem Otzberg am Horizont, liegt zwischen dem Dilsbach und dem Hirschbach der Lindenhof. Direkt an dem Weg, der zum Hof führt, fallen zuerst eine Handvoll Kunstskulpturen auf. Dahinter sieht man ein paar Pferde, links kommen Hühner. Ein Schild zeigt den Weg zur „Keramik-Werkstatt“, auf einem anderen liest man „Kinderbauernhof“. Dahinter gelangt man schließlich zu einem großen Gemüsegarten, aufgeteilt in verschiedene Parzellen, dazwischen feste Laufwege. Hier liegt das Herzstück des Lindenhofs: der Gemüseanbau in solidarischer Landwirtschaft.

Fast 70 Menschen sind aktuell dabei. Es ist eine Gemeinschaft zwischen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen: Landwirt*innen kümmern sich um den Anbau und die Bearbeitung, die Kund*innen übernehmen die Kosten. So können Bäuerinnen und Bauern mit einem gesicherten Einkommen rechnen – und die Kund*innen mit Gemüse aus ökologischem Anbau direkt aus der Region. „Es garantiert mir, dass ich auch alles loswerde, was ich vorher anbaue“, erklärt Wolfgang Kress, Eigentümer des Hofs. „Da ist dann auch mal eine krumme Gurke dabei oder eine Möhre, die besonders lustig aussieht. Es ist eben nicht so standardmäßig wie im Supermarkt“.

Maschinen und Chemie haben keinen Platz

Etwa einen halben Hektar ist der Gemüsegarten groß, auch wenn die reine Anbaufläche durch die Wege etwas kleiner ist. „Mit den Dauerwegen vermeiden wir Belastungen für den Boden durch Menschen“, so Kress. Auch Maschinen oder Pflüge zum Umgraben kämen nicht zum Einsatz. Stattdessen lege man den Fokus auf die Bodenbelebung: „Wir handeln nach der sogenannten biointensiven Anbaumethode. ‚Market Gardening‘ nennt sich das auch“, erzählt der Landwirt.

Dabei sei es besonders wichtig, die Lebewesen unter der Erde zu ernähren: „Wir wollen nicht diesen chemischen Vorgang der künstlichen Düngung. Trotzdem braucht der Boden aber die Zufuhr an Nährstoffen, die ihm genommen werden. Wir lösen das durch organisches Material, also Kompost. So können Pilze und Bakterien ihre Arbeit machen und Nährstoffe für die Pflanzen erschließen, welche ihrerseits wiederum Zucker durch die Fotosynthese erzeugen und an die Bodenlebewesen abgeben.“

So baut man auf natürliche Prozesse, um den Anbau zu unterstützen. Hecken, die als Schutz für den Garten dienen, sind gleichzeitig auch Niststellen für Vögel, die wiederum schädliche Insekten fressen. Außerdem werden, anders als in der konventionellen Landwirtschaft, eine Vielzahl an unterschiedlichen Pflanzenarten angebaut. So entstehen im Garten zwischen diversen Gemüsearten und Kräutern etwa auch Habitate für Marienkäfer. „Die sollen schließlich schon am Start sein, wenn im Frühling die Blattläuse kommen“, erklärt Kress.

 

Ökologisch, ökonomisch und sozial

Ein weiteres Projekt des Lindenhofs ist die Hühnerzucht. Auch hier versucht man sich an nachhaltigeren Methoden als in der konventionellen Wirtschaft. Anstatt männliche Küken direkt nach der Geburt oder vorher als Embryo zu töten, werden am Hof Hennen sowie Hähne gehalten. Enorm schnell wachsende Mast-Hybridhühner oder optimierte Lege-Hybridhühner, wie man sie aus der industriellen Geflügelproduktion kennt, findet man hier nicht. Stattdessen setzt der Lindenhof auf einen nachhaltigeren Ansatz mit höherem Tierwohl. „Natürlich ist das auch teurer“, gibt Kress zu. „Doch wir tasten uns da immer mehr heran und schauen, wie groß das Ganze wird. Im Moment gibt es rund um die Thematik auch eine Entwicklung in der Gesellschaft.“

Generell müsse man immer schauen, wie der Markt sich entwickele und auf die Veränderungen reagiere. Kress erklärt, alles was der Lindenhof erzeuge, geschehe in Rück- und Absprache mit den Verbraucher*innen: „Was wir tun, ist eine konsequente Direktvermarktung.“ Nachhaltigkeit könne nur dann funktionieren, wenn man sie auf mehreren Ebenen denkt; Entwicklungen müssten ökonomisch, ökologisch sowie sozial geschehen.

Beide Projekte wolle man deshalb noch weiter ausbauen: die Hühnerzucht sowie den Gemüseanbau. Die Fläche dafür habe man. Neben einem reicheren Angebot an Wintergemüse wolle man außerdem vor allem noch mehr Kreisläufe über die eigenen Flächen abdecken, etwa beim Kompost. Eine Bio-Zertifizierung stehe außerdem noch aus, doch sollte der Lindenhof die entsprechenden Ansprüche wohl erfüllen.

„Es gibt noch viel mehr, was man essen kann.“

Ein weiteres Projekt soll eine naturnahe Permakulturfläche werden. „Wir wollen das anlegen und bearbeiten, was wir von der Natur beigebracht bekommen, aber gleichzeitig auch Sachen anpflanzen, die von Nutzern nachgefragt werden“, fasst Kress zusammen. Er denke da an Kräuter, mehrjähriges Gemüse oder auch Obst. Durch die Logistik im Handel sei unsere Vorstellung, was man essen könne, gewaltig eingeschränkt: „Das umfasst ja nur einen Bruchteil. Es gibt noch viel mehr, was man essen kann. Mein Ziel ist es, da die Grenzen ein wenig auszudehnen und die Menschen wieder einzuladen, in die Natur zu kommen, die Natur zu erleben und kennenzulernen, um so auch ihren eigenen Speiseplan zu erweitern“, erzählt Kress. Zum Beispiel kenne man ja beim Blumenkohl nur die weißen Blüten, der Rest würde weggeschmissen“, so der Landwirt. „Und auch das Karottengrün wird höchstens mal noch als Hasenfutter genutzt. Man kann aber aus den nährstoffreichen Blättern von Blumenkohl oder auch von Kohlrabi durchaus leckere Gerichte zubereiten.“

All sowas lasse sich in der direkten Zusammenarbeit und im Austausch mit den Verbraucher*innen weitergeben – und zwar nicht nur bei den Besuchen von Kindergärten, wie sie bereits auf dem Hof passieren, sondern auch im eigenen Tagungssaal für erwachsene Interessierte. „Wir wollen immer mehr auch Richtung ‚Lernort Bauernhof‘ gehen. Die ganzen Erfahrungen und das Wissen rund um das Thema Nachhaltigkeit, was wir in den Projekten hier sammeln, wollen wir teilen und vermitteln“, erzählt Kress.

Und so steht auf dem Lindenhof nicht nur die praktische ökologische Landwirtschaft im Fokus, sondern auch die „Bildung für nachhaltige Entwicklung“.

Mehr Informationen unter natuerlich-lindenhof.de.